
Graf Öderland
GRAF ÖDERLAND
Eine Moritat in zwölf Bildern von Max Frisch Premiere Mai 2021 Residenztheater Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2021
Durch den immer gleichen Arbeitsalltag von sich und dem Leben entfremdet, greift der Kassierer einer Bank zur Axt und mordet. Diese Tat ohne klar ersichtlichen Beweggrund erschüttert Staatsanwalt Martin, der mit dem Fall betraut ist, nachhaltig. Im Mörder und dessen Tat sieht er sein eigenes Gefangensein in einer von Pflicht, Gesetz und Ordnung dominierten bürgerlichen Existenz gespiegelt. Schlagartig nimmt den Staatsanwalt eine Urangst gefangen und treibt ihn zur Flucht in die mythische Welt eines mysteriösen Alter Ego: in die Welt des Grafen Öderland.
Als Graf Öderland beginnt Martin mit der Axt in der Hand einen blutigen Feldzug gegen den gesellschaftspolitischen Status quo. Innerhalb kürzester Zeit wird er zum Befreiungshelden, hinter dem sich Benachteiligte und Unzufriedene zu einer großen Anhängerschaft formieren. Tief unten in der Kanalisation wird die Revolte gegen die herrschende Macht und deren System geplant. Schließlich stürzt er – ohne Rücksicht auf Verluste in den eigenen Reihen – sogar die Regierung.
Max Frisch bezeichnete «Graf Öderland» als sein liebstes Stück. Angesichts gegenwärtiger politischer Veränderungen und der damit einhergehenden Unzufriedenheit mit den amtierenden Regierungen wird die Figur des Grafen zum spannungsgeladenen Vexierbild: Ist er lebensbejahender Befreiungsheld oder machthungriger Despot ohne politische Vision?
Der Schweizer Regisseur Stefan Bachmann, seit 2013 Intendant des Schauspiel Köln, widmet sich mit «Graf Öderland» einem Stoff, der das Bedürfnis nach Befreiung von gesellschaftspolitisch etablierten Formeln und Codes untersucht, dabei aber auch in die Untiefen des Unbewussten hinabsteigt, um dessen überwältigende Macht auszuloten.
Eine Koproduktion von Residenztheater und Theater Basel
Thiemo Strutzenberger hat für seine darstellerische Leistung in Stefan Bachmanns Inszenierung «Graf Öderland» den 3sat-Preis erhalten.
Die Jury zur Begründung: «Max Frischs ‚Graf Öderland‘ ist ein irrationaler Amoklauf aus der sozialen Mitte heraus. Ein Staatsanwalt, der Welt und Recht nicht mehr sortieren kann, und ein Mörder ohne Motiv verschmelzen zum Monsterbild von ‚Graf Öderland mit der Axt in der Hand‘. Stefan Bachmann inszeniert den Albtraum der Zivilisation, einen Rausch der Gewalt. Der Schauspieler Thiemo Strutzenberger ist darin ein Hochrisiko-Öderland, für den die Trennlinien von Wachtraum und panischer Klarheit längst durchlässig sind und bei dem Entfremdung, kulturelles Unbehagen, zivilgesellschaftlicher Überdruss in die pure Aggression umschlagen: die traumatische Quintessenz eines Wutbürgers.»